Sprachförderung im vorschulischen und schulischen Bereich

Das Tiroler Integrationsforum ist ein Verein, dessen Mitgliederorganisationen sich im weiten Feld Integration engagieren. Integration im Bereich der Sprachförderung bedeutet für uns die Ermöglichung einer Chancengleichheit für Schüler_innen in ihrer Bildungsbiographie sowie später im Erwerbsleben – unabhängig von ihrem Hintergrund (z.B. Bildungshintergrund der Eltern, finanzieller Status der Familie, Nationalität oder Sprachkompetenzen, Geschlecht,  Lernschwächen etc.). Unter dem hier verwendeten Begriff Sprachförderung versteht das Tiroler Integrationsforum sowohl die Förderung in Deutsch als auch die Förderung der Kinder in ihren jeweiligen Erstsprachen.

Die zunehmende sprachliche Vielfalt an Tirols Regelschulen bedarf eines neuen Sprachförderungskonzeptes insbesondere im schulischen und vorschulischen Bereich, das einer langfristig orientierten, integrativen und umfassenden Herangehensweise folgt. Einer solchen wurde bislang leider nur sehr lückenhaft Rechnung getragen. Das Tiroler Integrationsforum stellt deshalb folgende Forderungen:

1. Abschaffung von Sprachstartklassen und Sprachstartgruppen.

Es handelt sich hier um einen exkludierenden Ansatz: Anstatt Kinder in einer eigenen Gruppe zu separieren, müssen Modelle der Inklusion im Vordergrund stehen. Dafür gibt es international, vor allem aber auch im deutschsprachigen Raum, zahlreiche erfolgreiche Beispiele (beispielsweise bilinguale Alphabetisierung, sprachsensibler/ sprachorientierter Unterricht). Durch die Separierung der Schüler_innen wird ihnen eine Bildungsbiographie zugemutet, die sich zu ihrem Nachteil auswirkt. Durch Sprachstartklassen und Sprachstartgruppen wird ihnen die Möglichkeit genommen, sich gleichwertig zu fühlen. Auch die Intransparenz der Zuweisung sowie die mangelnde Aufklärung über die Möglichkeit zur Berufung führen in der Praxis zu Diskriminierung.

2. Verlagerung des Schwerpunktes der Sprachförderung auf den vorschulischen Bereich und darüber hinaus eine Unterstützung über die gesamte Regelschulzeit.

Sprachförderung ist kein Prozess, der innerhalb eines Jahres vor Schuleintritt als abgeschlossen betrachtet werden kann. Sprachförderung muss frühestmöglich beginnen und langfristig konzipiert sein. Kinder, die in ihrer Sozialisation eine andere Sprache oder andere Sprachen erlernt haben als Deutsch, müssen vom ersten Tag ihres Eintritts in den Kindergarten bestmöglich auf die Schule und ihre (sprachlichen) Herausforderungen vorbereitet werden. Die Segregation von Kindern mit dem Ziel einer bestmöglichen Sprachförderung/ Integration ist somit in jedem Fall abzulehnen. Eine nachhaltige, inklusive sprachliche Förderung von Kindern mit anderer Erstsprache als Deutsch ab dem Kindergarten ist klar zu befürworten, da andernfalls von ungleichen Bildungschancen gesprochen werden kann. Eine solche Lösung würde ermöglichen, auf die positive Kompetenzentwicklung der Schüler_innen zu reagieren.

3. Mehrsprachigkeit muss vermehrt als Ressource wahrgenommen und gefördert werden. Die Sprachenvielfalt unserer Gesellschaft muss in öffentlichen und institutionellen Bereichen ebenso berücksichtigt werden wie mehrsprachige Lernbiografien in Kindergärten und Schulen.

Da die Mehrsprachigkeit in Tirol die Realität der Menschen widerspiegelt und auch Lokalität ohne eine Verbindung zum Globalen nicht mehr denkbar ist, entspricht Mehrsprachigkeit den lebensweltlichen Anforderungen. Mehrsprachigkeit als Ressource muss in der pädagogischen Praxis berücksichtigt und gelebt werden. Außerdem sind die Erarbeitung eines didaktischen Konzepts durch ein inter-disziplinäres Gremium und Eltern sowie die Festlegung von Ausbildungsstandards im Umgang mit Mehrsprachigkeit für damit befasstes Personal empfehlenswert. Es wäre zudem wünschenswert, dass Pädagog_innen Sprachenvielfalt, insbesondere in Hinblick auf migrationsrelevante Sprachen in den Klassen anerkennen und repräsentieren.

4. Schaffung einer unterstützenden Lernumgebung

Lernen benötigt eine lernfreundliche Umgebung, die wir an folgenden unter-stützenden Parametern festmachen. Eltern bzw. Erziehungsberechtigte müssen ausreichend über Möglichkeiten einer Förderung des Kindes und die Vorgehensweise der Schule informiert und aufgeklärt werden und Wahlmöglichkeiten zur Verfügung gestellt bekommen. Eltern bzw. Erziehungsberechtigte müssen verstärkt informiert und dabei unterstützt werden, ihren Kindern den frühestmöglichen Eintritt in das Bildungssystem zu ermöglichen. Die Schüler_innen müssen zudem eine Anerkennung ihrer vorhandenen Sprachkompetenzen in ihren Erstsprachen erfahren. Ein unterstützender Austausch zwischen Pädagog_innen und Eltern im Sinne des Kindes sowie eine Koordinierung von Informationen zum Thema Spracherwerb bzw. Zusammenarbeit der Pädagog_innen in Kindergärten und Volksschulen sind aus unserer Sicht unabdingbar.

Die von uns geforderten Punkte bedürfen einer Bereitstellung von Ressourcen in diesem Bereich. Wir als Tiroler Integrationsforum sind bereit, uns bei der Erarbeitung von alternativen Lösungsansätzen zu beteiligen und einzubringen.

Innsbruck, Dezember 2014