Mit.Sprache #5 Patenschaftsangebot Ertebat

Das Patenschaftsangebot Ertebat der Plattform Asyl bringt schon länger in Tirol lebende Menschen und unbegleitete minderjährige Geflüchtete zusammen. Die Patenschaftstandems verbringen Freizeit zusammen. Es geht darum, einen Einblick das Leben der jeweils anderen Person zu bekommen und daran teilzuhaben. Für die jungen Menschen, die aus verschiedenen Ländern nach Österreich geflüchtet sind, ist es auch eine Gelegenheit, in einem ungezwungen Setting die Sprache, die sie lernen, zu verwenden – ohne sich vor Fehlern oder gar Benotung gehemmt zu „fürchten“. Dadurch entstehen viele schöne Momente – beide Seiten profitieren von den Patenschaften. Und oft kommt es auch zu lustigen Momenten – wie diese Geschichte erzählt:

„Jamal hat in Österreich die Schule besucht und abgeschlossen und kann bereits gut deutsch, als wir uns zum ersten Mal über das Patenschaftsprogramm Ertebat der Plattfrom Asyl treffen.

Von Beginn an haben wir keine Probleme, Themen zu finden über die wir uns unterhalten können. Meist gehen wir spazieren und plaudern über das kochen, die Arbeit, Kulturen, unser beider Leben, was auch immer. Von Beginn an ist unsere Kommunikation auf kompletter Ehrlichkeit aufgebaut, die Jamal sehr wichtig ist. Das Problem am Erlernen einer neuen Sprache ist, dass man versehentlich oft sehr direkt oder gar unhöflich ist, weil die genauen Worte fehlen die man braucht.

Also üben wir, was ich „schonende Ehrlichkeit“ nenne. Als wir wieder einmal den Inn entlang spazieren, stellen wir fest, dass wir beide schnelle Spaziergänger sind und langsames gehen nicht mögen. Jamal merkt an: „Ich hatte eine Freundin, mit der bin ich nicht so gerne spaziert. Sie war so langsam, weil sie fett ist“. Ich antwortete recht schockiert „Jamal, das ist sehr unhöflich! Man sagt über eine Freundin nicht, dass sie fett ist!“ „Ja aber es ist ehrlich … sie ist fett!“

„Aber das musst du nicht sagen, wenn du über sie erzählst. Und wenn es wichtig für den Satz ist, wie beim spazieren, dann sag ‚etwas fester‘ oder ‚mollig‘ oder, wenn es sein muss, ‚ein bisschen dicker‘, aber nie ‚fett‘, das ist sehr verletzend!“ Jamal will niemanden verletzen, aber hat doch die Sorge: „Ok, aber ist es noch ehrlich?“ Ich antworte: „Ja, das bedeutet fast das gleiche, aber in nett“.

Seitdem erzählt er mir manchmal, wie er jemanden etwas schwieriges sagen will, und wir überlegen einen Satz, der das selbe sagt aber ‚in nett‘. Schwindeln kommt für Jamal nicht in Frage, aber wir suchen freundliche und trotzdem ehrliche Worte. Es klappt inzwischen schon sehr gut!

PS: Inzwischen bin ich im 9. Monat schwanger, wir gehen sehr sehr langsam spazieren ohne Murren seinerseits und als ich stöhnte „Ich bin so fett geworden!“ meinte Jamal nur „Fest geworden!“